How dare we! - Wir brauchen Politicians for Future!

Holger Henning

Der Kreistag hat gesprochen. Es gibt keinen Klimanotstand. Aber eigentlich bräuchten wir viel mehr. Nicht weniger als einen Neuanfang, ein Versprechen, gemeinsam mit aller Kraft für die Zukunft Politik zu machen. Wir brauchen Politicians for Future. Ein Text der Kreistagsfraktion

Wir stehen kurz vor der nächsten Kreistagssitzung am 10. Oktober und immer noch wirkt die letzte Kreistagssitzung nach, in der es eine ewige Diskussion um den ursprünglich von der SPD beantragten Klimanotstand gab. Wir hatten damals Änderungsanträge dazu gestellt, die die SPD in Gänze übernommen hatten, um die Forderungen konkreter zu machen. Man gab sogar einem Vertreter von Friday for Future die Gelegenheit zu sprechen, nur um dann ein großes Nichts, dass sich CDU und FDP/FWO/DU ausgedacht hatten, abzustimmen. Nein, die tonangebenden Fraktionen stimmten natürlich nicht dafür, dass die Politik Verantwortung übernimmt. Sie beschlossen, dass in einem Ausschuss die Verwaltung doch mal rekapitulieren möge, was sie doch schon alles Tolles fürs Klima getan hätte, um danach wieder in den ruhigen Schlaf verfallen zu können, den die Politik ganz allgemein vor sich hin schläft.
Und es wirkt noch etwas nach. Über tausend Menschen, die in Gummersbach demonstrieren, während im nahen Köln siebzigtausend auf den Straßen sind. Gellend laut da, wo eigentlich was getan werden sollte, also vor dem Kreishaus. Der Klimastreik, der Freitag für eine lebenswerte Zukunft. Was passiert da? Ein paar Millionen Menschen rund um die Welt rufen danach, dass die Politik endlich etwas tut, dass die Politik endlich reagiert und vor allem, dass sie endlich regiert. Und die, die diese Millionen angestoßen hat, die die Stimme dieser Bewegung ist, fragt zu Recht „How dare you?“ Wie könnt ihr es wagen? Was bildet Ihr euch eigentlich ein? Wir haben in der Fraktion beraten, sprechen in jeder Sitzung über das Klima und stellen ständig Anträge, um Diskussionen anzuregen, um vielleicht auch etwas umzusetzen – aber meistens laufen wir gegen die Wand der Mehrheitsfraktionen. Wir sehen ein, dass es an den Generationen, die heute das Sagen haben, liegt, dass wir vor einem schrecklichen politischen Versagen stehen. Und natürlich gehören auch wir zu diesen Generationen und müssen uns dieser Verantwortung stellen. Aus dieser Überlegung heraus schrieben wir eine Resolution, deren Wortlauft hier folgt:


„Die Politik hat in den letzten dreißig Jahren auf allen Ebenen – also auch im Oberbergischen Kreis – das physikalische Phänomen der globalen Erwärmung größtenteils ignoriert und weder gegengesteuert noch vorgesorgt. Heute sehen wir, wie sich eine umfassende Naturkatastrophe zu einer die Menschheit bedrohenden Gefahr entwickelt. Die Politik, auch dieses Gremium, hat versagt, und wir wollen das ändern – und uns dafür entschuldigen. Die globale Erwärmung aufzuhalten ist keine Frage von politischen Richtungen und Parteien, sondern eine Frage des Überlebens. Daher werden wir ab heute im Rahmen unserer Möglichkeiten umsetzen, was die Wissenschaft empfiehlt. Und wir appellieren an alle weiteren Ebenen der Politik, das Gleiche zu tun. Alles andere wäre gegen jede Vernunft und gegen das Überleben der zukünftigen Generationen.“


Und jetzt haben wir sie nicht zur Abstimmung gestellt. Dabei wäre eine Begründung einfach gewesen. Eine solche Resolution würde es ermöglichen, den ganzen Ballast, die ganze Schuld, die ganzen Streitereien darum, wer woran Schuld ist – Dinge, die die Politik auf allen Ebenen leider dominieren - hintan zu stellen und und wie Freitage zu sein, also for future. Und eine Politik for future ist nun wirklich das, was wir jetzt brauchen. Aber wir stellen diesen Antrag nicht, lassen über die Resolution nicht abstimmen – denn wir wissen, wie die Diskussion verlaufen würde. Wir wissen, wie wir angefeindet und verlacht würden, und am Ende von der guten Idee nichts mehr bliebe. Wir wollen lieber auf diesem Wege, also über eine Veröffentlichung, unsere Idee von einem Neuanfang für die Politik, die ohne parteipolitischen Hintersinn einfach das macht, was wir schon seit dreißig Jahren machen müssten. Wir könnten einfach mit allen gebündelten Kräften auf allen Ebenen daran arbeiten, dass sich das Klima möglichst wenig erwärmt. Das ist ein großes, ja utopisches Ziel, aber wenn man sich noch nicht mal das Ziel setzt, es noch nicht mal versucht, dann ist das nicht mehr fahrlässig, dann nehmen wir den kommenden Generationen absichtlich die Zukunft. Wir brauchen Politicians for Future, Politiker*innen, die über Parteigrenzen hinweg zusammen für die Zukunft arbeiten. Denn wer jetzt nicht streiken darf, ist die Politik. Die muss endlich anfangen, was zu tun.


Für die Kreistagsfraktion DIE LINKE im Oberbergischen Kreis, Holger Hennig