Haushaltsrede von Matthias Lammerich (Fraktionsvorsitzender DIE LINKE)

Matthias Lammerich

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Ratsmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

liebe Gäste und sehr verehrte Presse,

 

im letzten Jahr noch verzeichnete sich eine Verbesserung der Ausgangslage, ein ausgeglichener Haushalt schien in naher Zukunft möglich, konkret im Jahr 2021. Dies ist durch die aktuellen Haushaltsplan wieder in weitere Ferne gerückt. Nach den letzten uns vorliegenden Zahlen wird das Defizit mit rd. 2,8 Mio. Euro wieder ansteigen. Ein immer noch geschöntes Ergebnis mithilfe von Bilanztricksereien durch Verschiebung der FSW-Verlustadeckung.

Ich frage an dieser Stelle: Wenn in den vergangenen Jahren kein ausgeglichener Haushalt erzielt werden konnte, in denen die konjunkturellen Rahmenbedingungen konstant gut waren, unter welchen Bedingungen soll dieser wieder erreicht werden können? Wenn der Aufschwung ein Ende hat, gar wenn die nächste Krise ansteht, deren erste Anzeichen global schon in Sicht sind?

Die Ausgaben werden seit Jahren angehoben, was in vielen Bereichen entweder notwendig oder auch unumgänglich ist, die Einnahmen steigen aber nur teilweise.

Dass der Einkommensteueranteil stetig steigt, weil mehr Menschen in Beschäftigung sind, ist ausgezeichnet. Bei der Gewerbsteuer spiegelt sich jedoch die Wertschöpfung der Unternehmen nicht wieder, sie bleibt nach wie vor auf relativ konstantem Niveau. Allein auf die externen Fakoren wie die Bundessteuern, die teilweise den Gemeinden zukommen, können wir uns nicht verlassen.

Seit Jahren verschenkt der Rat seinen finanzpolitischen Spielraum, die Einnahmesituation zu verbessern. Schon lange gibt es keine Rechtfertigung mehr, die Gewerbesteuer nicht zu erhöhen. Wir in Wiehl sind selbstbewusst genug um kein Gewerbesteuerparadies sein zu müssen.

Bei der derzeitigen immer noch wirtschaftlichen positiven Ausgangslage ist eine angemessene Anhebung der Gewerbesteuer wenigstens auf das Niveau der oberbergischen Kommunen mit den heute zweitniedrigsten Steuern im Kreis den Unternehmen zumutbar.

Wie ich schon in der Rede zum Haushalt 2017 dargestellt habe, bedeutet eine Anhebung der Gewerbesteuer um 10 Prozentpunkte bei einem Gewerbeertrag von 1 Mio. Euro für ein Wiehler Unternehmen einen Mehraufwand von 3.500,- Euro Gewerbesteuer. Für die Stadt Wiehl führt das nach Aussage des Kämmerers im Ergebnis zu rd. 400.000,- Mehrertrag pro 10 Prozentpunkte. Wenn der Rat den Hebesatz auf das Niveau der zweitniedrigsten Steuern im Kreis anhebt, sind das immerhin rd. 1,6 Mio. Euro. Die Fraktion DIE LINKE beantragt also an dieser Stelle, die Anhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf 470 Prozentpunkte im Haushalt zu beschließen. Unsere Zustimmung oder Nichtzustimmung zum Haushalt 2019 entscheidet sich mit dem Abstimmungsergebnis über unseren Antrag.

Sollte der Rat unserem Antrag zustimmen und die Prognosen im Haushaltsplan für die nächsten Jahre nicht nur eintreffen, sondern mit den zugeführten Mehreinnahmen verbessern, ist ein ausgeglichener Haushalt aus unserer Sicht realistisch geworden und stabilisiert die für die Stadt notwendige Ausgleichsrücklage.

Wiehl ist bunt, ist weltoffen, ist eine Kleinstadt mit Sport- und Kulturstätten, mit Industrie, Gewerbe und Handel. Das Stadtgebiet von Wiehl ist ein schöner, naturnaher Ort an dem jeder gut leben kann, bei dem die ökonomischen Voraussetzungen dazu stimmen. Bei vielen aber stimmt das Verhältnis zwischen Haushaltseinkommen und zu zahlenden Mieten nicht oder bald nicht mehr. Auch in Wiehl wurden in jüngster Zeit und werden Wohnungen errichtet, jedoch nur noch durch private Investoren und nur solche, die sich viele nicht leisten können. Manche Menschen die in Wiehl eine Wohnung suchen, geben nach einiger Zeit frustriert auf und lassen sich anderen Ortes nieder. Auf diese Weise, liebe CDU-Fraktion wird nichts aus Ihrem Traum, eines Tages den 30.000sten Einwohner in Wiehl begrüßen zu können. Denn Menschen lassen sich da nieder, wo sie bezahlbaren Wohnraum finden.

In unserem Stadtgebiet sind von 2000 bis 2018 rund 380 Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausgefallen, das sind 43 Prozent. Das ist zwar ein immer noch besseres Ergebnis als auf Bundesebene, wo es inzwischen nur noch ein Drittel des Bestandes an Sozialwohnungen gemessen an dem von 1990 gibt. Besser zwar, aber immer noch schlecht genug und völlig unzufriedenstellend.

Nun kann man ja der Ansicht sein, junge Familien könnten sich Wohneigentum zulegen, unabhängig von Vermietern sein. So elitär unter Ausblendung der Wirklichkeit in der Arbeitswelt wollen wir nicht an das Problem herangehen. Uns allen ist bekannt das in den letzen 15 Jahren der Niedriglohnsektor massiv ausgebaut wurde, der Mindestlohn von 9,19 € viel zu niedrig ist und auch noch dazu gar nicht so selten trickreich umgangen wird. Uns allen ist bekannt dass 3,2 Millionen Menschen lediglich befristete Arbeitsverträge haben und ebenso wie die weiteren 1,1 Millionen Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen keine Planungen für die Zukunft machen können. Und – es sind gerade die jungen Menschen, die überdurchnittlich bei den Befristungen und in der Leiharbeit zu finden sind. Viele können sich also schlichtweg kein Wohneigentum leisten.

Wie die jungen so die alten Menschen. Es ist ja nicht so als hätten wir alle noch nie von Alterarmut gehört. Wir wollen hier nicht überspitzen und ein Bild von flaschensammelnden armen Rentnern bemühen, die es natürlich tatsächlich gibt. Knapp die Hälfte der deutschen Rentner bezieht eine Rente von weniger als 800 Euro, 62 Prozent unter 1.000 Euro. Wer mit einem solchen Einkommen Miete zahlen muss, hat´s wirklich schwer. Diese Menschen können sich die schönen schicken Wohnungen des privaten Investors gar nicht leisten.

Die öffentliche Hand, auch die Kommunen - also wir - sind gefragt, wieder bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen zu schaffen. Wir werden sehen wie viele Sozialwohnungen wir am Park hinbekommen, doch klar ist, es wird nicht reichen. Noch mehr Baugebiete müssen erschlossen werden, noch mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut werden. Die Fraktion DIE LINKE wird alle dahingehenden Initiativen der Stadt unterstützen. Die Bereitstellung von 1 Million Euro im Haushaltsplan für den Erwerb von Bauland für Wohnzwecke findet unsere Zustimmung. Wir sind zuversichtlich, dass wir im nächsten Jahr endlich einen Schritt vorankommen. Müssen die Menschen weniger Miete zahlen, kann auch der Wiehler Einzelhandel davon profitieren.

Dem Haushaltsplan stimmen wir zu, wenn der Gewerbesteuersatz erhöht wird.

Dem Stellenplan und dem Wirtschaftsplan des Abwasserwerkes stimmen wir zu, dem Wirtschaftsplan der Freizeit- und Sportstätten stimmen wir nicht zu.

Abschließend auch von uns ein herzlicher Dank an alle Mitarbeiter der Verwaltung, an die Mitarbeiter der Stadt. Ihnen allen unsere besten Wünsche zum Jahresende und für das kommende Jahr.