Haushaltsrede in der Ratssitzung vom 10.12.2019

Matthias Lammerich

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Ratsmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

liebe Gäste und sehr verehrte Presse,

 

bereits in den vergangenen Jahren war die finanzielle Ausgangslage für die Stadt Wiehl schon nicht besonders komfortabel, trotz der bisherigen guten konjunkturellen Daten. Bis auf das Jahr 2018, wo unter dem Strich noch eine 0 erreicht wurde, war diese Wahlperiode von defizitären Haushalten geprägt.

Nun allerdings trübt sich auch die wirtschaftliche Lage weiter ein, was noch weitreichendere Auswirkungen auf die städtischen Finanzen haben wird.

Aufgrund der zu verzeichnenden noch stärkeren Rückgänge bei der Gewerbesteuer und auch beim Einkommensteueranteil sehen sich Stadtverwaltung und Kämmerei gezwungen, den Rotstift anzusetzen.

Den Verlustausgleich für die FSW in die Folgejahre zu verschieben, ist eine dieser Maßnahmen, die uns aber in der Zukunft auf die Füße fallen wird. Es sei denn, wir riskieren den Bestand unserer Bäder und der Eishalle. Eine weitere Absenkung der Ausgleichsrücklage um 2 Millionen Euro und eine weitere Verschuldung um 15 Millionen Euro im nächsten Haushaltsjahr werden unsere zukünftigen Spielräume weiter einengen.

Durch weitere Einsparmaßnahmen im Haushaltsplan 2020 werden diverse kleinere Maßnahmen in den Dörfern nicht mehr umgesetzt, verschoben oder nicht mehr gefördert.

Auf der anderen Seite wird viel Geld für die großen Investitionen in der Innenstadt ausgegeben, auch wenn diese wenig Einfluss auf den nächsten laufenden Haushalt haben. Diese Investitionen sind zum Teil auch notwendig, aber das Signal, das davon ausgeht lautet auch: Viel Geld für die Stadt, wenig Geld für die Dörfer.

Neue Gewerbegebiete als Allheilmittel

Als Allheilmittel wird immer wieder der Fokus auf die Erschließung neuer Gewerbegebiete gelegt.

Wir stehen neuen Gewerbegebieten vom Grundsatz her nicht ablehnend gegenüber, alles was gute und gut entlohnte Arbeit schafft, kann selbstverständlich durch sinnvolle und geeignete standortpolitische Instrumente gefördert werden.

Jedoch sollte jede weitere Industrieansiedlung ausgewogen sein und mit Augenmaß erfolgen, im Einklang mit der Natur und den Lebensbedingungen der Menschen.

Vor knapp drei Jahren haben wir in unserer Haushaltsrede gesagt, dass wir eine Erweiterung bei Brächen auf der grünen Wiese ausdrücklich unterstützen, im Gegensatz zu Rodungen in Wald- und Naturgebieten, wie beim Scherbusch-Kahlschlag in Marienhagen und die Waldabholzung in Bomig-Süd. Wir hatten uns davon erhofft, den Suchblick nach neuen Gewerbgebieten von Wäldern und Biotopen wegzulenken. Aber wo es in den Köpfen keine Wachstumsschranken gibt, funktioniert das eben nicht.

Bürgerprotest gegen neues Gewerbegebiet in Drabenderhöhe / Brächen

Mittlerweile haben sich im neu geplanten Gewerbegebiet bei Drabenderhöhe und Brächen auch für uns neue Erkenntnisse und Entwicklungen gezeigt, die das ganze in Frage stellen.

Es hat sich nach dem Bekanntwerden der Pläne herausgestellt, dass die Einwohner der umliegenden Ortschaften alles andere als begeistert von den Plänen der Stadtverwaltung sind, so dass sich mittlerweile das Aktionsbündnis gegen das Gewerbegebiet Drabenderhöhe/Brächen formiert hat.

Die Bürgerinnen und Bürger befürchten Schäden in der Natur, vor allem die Beeinträchtigung der nahegelegenen Quellbereiche und die entlang des Loopebachs gelegenen Flächen mit geschützten Biotopen sind zu erwarten. Auch die dann zunehmende Verkehrsbelastung und mögliche Grundstücksentwertungen bereitet vielen Anwohnern Grund zur Sorge.

Die Verwaltung ist nach Kräften bemüht, diesen Protest zu entkräften und versucht Argumente dafür zu finden, welche positiven Einflüsse das neue Gewerbegebiet für Drabenderhöhe und die Stadt als Ganzes haben wird.

Immer wieder gerne werden die Arbeitsplätze als Alibiargument verwendet, um den Bürgern das Unschöne schmackhaft zu machen, nämlich die Belastungen, die auf einerseits auf sie zu kommen, andererseits auch die Umwelt und den Naturschutz beeinträchtigen (Stichwort: Loopebach). Zur Wahrheit gehört auch, dass die Ansiedlung von neuen Industriebetrieben in erster Linie den Gewerbesteuereinnahmen und der Gewerbesteuerpolitik geschuldet ist. Die Entstehung neuer Arbeitsplätze (sofern es überhaupt dazu kommt) kann in diesem Zusammenhang nur als positiver Nebeneffekt gesehen werden, denn natürlich möchte jeder von uns Arbeitsplätze in der Region halten und schaffen. Aber im Hinblick auf den Standort wird es dem Wiehler oder Bielsteiner oder Drabenderhöher Einwohner, oder aber auch dem Gummersbacher oder Reichshofer, (denn der Wohnort ist nun mal kein Einstellungskriterium) wahrscheinlich von untergeordneter Bedeutung sein, ob er zu seinem neuen Arbeitsplatz nach Brächen oder nach Elsenroth fahren muss, dies nur als Beispiel. Für die Stadt Wiehl ist das aber essenziell, und zwar allein aus haushalterischer Sicht. Denn Brächen gehört zu Wiehl und Elsenroth zu Nümbrecht. Die Steuern fließen nur dahin, wo der Betrieb ansässig ist. Wenn der Bürger schon Opfer erbringen soll, dann sollte man das dem Bürger auch so sagen.

Die Gemeindefinanzierung sollte grundlegend auf ganz andere Füße gestellt werden, damit die Kommunen in der Lage sind, ihren Haushalt frei vom Zwang der immer weiteren Gewerbeansiedlung und dem daraus resultierenden Ping-Pong-Spiel der Gewerbesteuern zwischen den Kommunen aufzustellen.

Sicher wünschte sich mancher in Wiehl für die Gewerbesteuer am besten noch Monheimer Verhältnisse. Wir hingegen finden, sie ist ein notwendiges und wichtiges Mittel zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte, dessen Wesen jedoch nach deutlich solidarischeren Prinzipien konzipiert sein sollte. Wir sind aber nun mal nicht der Gesetzgeber.

Solange auf Bundes- und Landesebene nicht die gesetzlichen Grundlagen für eine nachhaltige Haushaltspolitik der Kommunen geschaffen werden, werden diese also weiterhin, wie auch in Wiehl, versuchen, mit Klein-Klein-Kirchtums-Politik ihre Haushaltslage zu stabilisieren.

In der ersten Veranstaltung der Initiative gegen das geplante Gewerbegebiet in Drabenderhöhe/Brächen wurde dargestellt, dazu zitiere ich aus einem Bericht von Oberberg-Aktuell vom 13.10.2019, dass „basierend auf Zahlen des statistischen Bundesamtes und des Landes NRW [...] Wiehl schon heute einen doppelt so hohen Flächenverbrauch für Gewerbeflächen habe, als die anderen oberbergischen Kommunen und auch der Bundesdurchschnitt.“

Übrigens haben sich Drabenderhöher Bürger verwundert darüber gezeigt, dass die Stadt die niedrige Gewerbesteuer nicht anhebt, wenn der Stadt Einnahmen auch aus Gewerbesteuer fehlen. Da sind wir mit ihnen einer Meinung.

Die Fraktion DIE LINKE beantragt auch in diesem Jahr erneut an dieser Stelle, die Anhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf das Niveau der zweitniedrigsten Steuern im Kreis anzuheben und mit 470 Prozentpunkten im Haushalt zu beschließen.

Die Stadt Waldbröl kann als Beispiel genannt werden, dass selbst ein Hebesatz in Höhe von 575 Prozent noch zu Neuansiedlungen führt, wenn die übrigen Rahmenbedingungen stimmen.

Wie auch in den letzten Jahren ist uns auch heute das Thema Wohnen ein wichtiges und ernstes Anliegen. Vor einem Jahr haben wir an dieser Stelle die Einstellung von 1 Million Euro in den Haushalt 2019 für den Erwerb von Grundstücken für den Wohnungsbau ausdrücklich begrüßt. Nun wollen wir eine weitere Million für diesen Zweck in den Haushalt 2020 einstellen. Auch das begrüßen wir. Haben wir hiermit nun 2 Millionen für Wohnungsbaugrundstücken zur Verfügung oder ist die neue Million nur die alte Million, die ja nicht ausgegeben wurde? Viel geredet über die Notwendigkeit, für alle bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, haben wir in den vergangen Jahren ja genug. Eine Mehrzahl der Ratsfraktionen hält Initiativen und Lenkungsmaßnahmen bei Aufstellungen von Bebauungsplänen durch die Verwaltung für richtig, um den Absturz bei der Zahl der noch vorhanden Sozialwohnungen zu verhindern. Aber - wann fangen wir denn endlich damit an?

Seit dem Jahr 2000 sind fast die Hälfte der Wiehler Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung gefallen. Für sie wurde bisher kein Ersatz geschaffen. Dann gibt es in diesem Rat noch die politische Kraft, die alles den privaten Investoren überlassen will, ohne irgendwie einzugreifen. Der Markt wird es schon richten? Der Markt kennt keine soziale Seite. In den letzten Jahren wurden einige, gar nicht so wenige Wohnungen von den Privaten im Wiehler Stadtgebiet gebaut. Dabei kam es aber nicht zu den Wohnungen, die auch Geringverdiener, Rentner, Alleinerziehende, Erwerbslose bezahlen können, selbst Normalverdiener müsssen sich bei den Mietpreisen gehörig zur Decke strecken. Diese Menschen sind zwar die Mehrheit der Wiehler Einwohner, aber eben nicht die Klientel dieser politischen Kraft in diesem Rat. Es ist geradezu kabarettfähig, nach der folgenden Formel zu operieren: Die beste Antwort auf durch zu hohe Mieten verursachten Wohnraummangel ist ganz einfach, noch mehr überteuerten Wohnraum zu bauen. Zur Klarstellung: Das hat hier niemand gesagt, ist aber Kern allen bisherigen Handelns in der Wohnungsfrage.

Gerne würden wir es sehen, wenn die Stadt selbst baut, etwa über die städtische Eigengesellschaft BEW. Dafür haben wir entsprechende Anträge gestellt, wovon einer vom Rat bei großer Enthaltung angenommen wurde. Von der Verwaltung hören wir, wir haben nicht die Grundstücke. Aber bitte, dann kaufen Sie die Grundstücke und machen auch mal vom Vorkaufsrecht der Kommune Gebrauch. Nur so hat ja dann auch die Bereitstellung von 1 Million Euro für den Kauf von Grundstücken einen Sinn.

Noch immer wissen wir nicht, wieviele Sozialwohnungen wir am Park bekommen werden. Es ist höchste Zeit hier endlich zu klaren Vorgaben zu kommen. Nach unserer Vorstellung sollte der Anteil der Sozialwohnungen nicht unter 40 % liegen.

Es muss in der Wohnungsfrage jetzt endlich gehandelt werden, so dass wir in der Zukunft nicht sagen müssen: „Schön, mal wieder darüber gesprochen zu haben“.

Dem Haushaltsplan stimmen wir zu, wenn der Gewerbesteuersatz um 40 Prozentpunkte erhöht wird.

Dem Stellenplan und dem Wirtschaftsplan des Abwasserwerkes stimmen wir zu, dem Wirtschaftsplan der Freizeit- und Sportstätten stimmen wir nicht zu.

Abschließend auch von uns ein herzlicher Dank an alle Mitarbeiter der Verwaltung, an alle Mitarbeiter der Stadt. Ihnen allen und darin eingeschlossen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Stadtverordnete unsere besten Wünsche zum Jahresende und für das kommende Jahr.