Umgang der Kreispolizei mit Corona-Leugner*innen

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit stellen wir folgende Anfrage mit der Bitte um schriftliche Beantwortung im Vorfeld der nächsten Sitzung des Polizeibeirates.

Am Donnerstag, 1. April 2021, hat in Gummersbach eine nicht angemeldete Kundgebung von Corona-Leugner*innen stattgefunden. Hierfür wurde bereits seit dem 21. März in verschiedenen Telegram-Chatgruppen sowie gedruckten Flyern öffentlich geworben. In diesen finden teilweise auch einschlägig rechtsextreme Propaganda und Reichsbürger-Ideen Verbreitung.

Das Kreisordnungsamt wurde bereits am 24. März 2021 auf diese Entwicklung hingewiesen. Die Kreispolizeibehörde wurde am 31. März informiert.

Trotz dieser Mitteilungen machten das Ordnungsamt sowie die Polizei vor Ort die Auskunft, dass ihnen diese Informationslage völlig neu sei und sie gestatteten trotz im Vorfeld vorbereiteter Plakate, mitgebrachter Kinderschuhe und Luftballons eine „Spontankundgebung“. Die Kundgebung konnte so unter Missachtung der Corona-Schutzregeln auf dem Bismarckplatz durchgeführt werden. Sonst übliche Auflagen, wie Maske tragen, Abstand halten oder Ordner*innen waren nicht zu erkennen. Die Teilnehmer*innen waren eine Mischung aus Verschwörungsideolog*innen, Corona Rechten, Antisemit*innen und Querdenkern.

Vor diesem Hintergrund und insbesondere in Ihrer Funktion als Leiter der Kreispolizeibehörde bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen:

 

  1. Das Kreisordnungsamt sowie die Kreispolizeibehörde wurde im Vorfeld von Bürger*innen über die geplante Aktion informiert. Was wurde an vorbeugenden Massnahmen ergriffen?
  2. Ab welchem Zeitpunkt hatte die Kreispolizeibehörde Kenntnis davon, dass die o.g. nicht angemeldete Kundgebung in Gummersbach geplant ist?
  3. Wieso wurden die Informationen die an die Polizei und das Kreisordnungsamt gegeben wurden, nicht an das städtische Ordnungsamt weitergetragen wie telefonisch besprochen?
  4. Warum wurde die Versammlung von den vor Ort eingesetzten Beamten trotz tagelanger Mobilisierung in den Chatgruppen, Aufrufen via Flyer und mitgebrachten vorbereiteten Plakaten als „spontan“ bewertet und nicht aufgelöst?
  5. Warum wurde die Versammlung nicht aufgelöst, obwohl sich die Teilnehmenden nicht an Corona-Schutzregeln gehalten haben?
  6. Wurden die Personalien der Versammlungsteilnehmer*innen festgestellt, um ggf. Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten?
  7. Gegen wieviele Teilnehmer*innen wurden Ermittlungs- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet und wegen welcher Tatbestände?

Gegen 15 Uhr haben die beiden vor Ort eingesetzten Beamten, darunter ein Polizeihauptkommissar, unter Beifall der Corona-Leugner*innen diese mit zwei Tabletts Eis aus einer Eisdiele versorgt. Hierzu stellen sich folgende Fragen:

 

  1. Ist es gängige Praxis der Kreispolizeibehörde, eine Art Cateringservice für Teilnehmer*innen von Versammlungen anzubieten?
  2. Wie bewerten Sie als Leiter der Kreispolizeibehörde das Verhalten der beiden Beamten?
  3. Wird das Verhalten der eingesetzten Beamten sanktioniert bzw. werden disziplinarische Maßnahmen eingeleitet?
  4. Wurde das Eis aus Mitteln der Kreispolizeibehörde bezahlt?

In den Telegram-Gruppen wird neben einfacher Kritik an den Maßnahmen der Corona-Politik, regelmäßig mit Verschwörungstheorien die Existenz einer Pandemie bezweifelt. Hinzukommen Äußerungen, die Pandemie sei eine „Erfindung von denen da oben“, um die Bevölkerung zu kontrollieren.

Es werden auch reihenweise Inhalte von antisemitischen Verschwörungsideologen, die über eine „Neue Weltordnung“ fabulieren verbreitet, und Werbung für Bücher der rechtsextremen Anastasia-Bewegung gemacht. Die Holocaust-Leugnungen von Ursula Haverbeek, Ansichten der Reichsbürger-Bewegung und Mythen über eine jüdische Weltverschwörung finden positiven Anklang. Auch Theorien aus dem Reichsbürger-Umfeld, etwa die Theorie, die BRD sei lediglich eine GmbH, finden deutlichen Zuspruch. Ständig tauchen Weiterleitungen aus anderen Kanälen auf, die sich unabhängig von der Corona-Pandemie als rechtsextremistische Sprachmedien etablieren konnten.

In den Telegram-Gruppen werden nicht nur Kundgebungen geplant, sondern auch konkrete Anschlagsideen verbreitet:

Frage: Warum haltet Ihr euch vor dem Rathaus auf..besucht doch den Landrat Jochen Hagt und stellt ihm ein Ultimatum bevor die Militär Polizei von SHAEF ihn zum Verhör verhaftet. Kennt Ihr Menschen in Oberberg den Unterschied von Verordnung und Gesetz. Kennt Ihr Die SHAEF Gesetze besonders Artikel 46+47? Ich verstehe sehr gut , dass Alle etwas tun müssen und sollen. Aber um die Möglichkeiten ein zu schätzen, muss man die Eigene Situation erkennen. Seit dem 8.Mai 1945 leben wir in einem Wirtschaftsgebiet und sind doch Kriegsgefangene im Silber Käfig. Das alles kann jemand in 45 Minuten im Internet heraus finden. Lasst eure Kinder zu Hause und befreit sie von den Masken. Ihr seit Menschen und keine Untertanen." (Quelle: Öffentliche Telegram-Gruppe "Freiheitsboten_Oberberg" vom 22. März 2021, zuletzt am 07.04.2021 abgerufen)

Da die Kreispolizeibehörde bereits mehrfach auf diese Inhalte aufmerksam gemacht wurde, bitten wir um die Beantwortung der folgenden Fragen:

 

  1. Wie bewertet die Kreispolizeibehörde Solidaritätsaufrufe für Ursula Haverbeck, positive Bezugnahme auf die "Anastasia-Bewegung", das Verbreiten der QAnon-Verschwörungserzählung, Nachrichten/Videos von Attila Hildmann in den regionalen und öffentlichen Telegram-Chatgruppen?
  2. Wie schätzt die Kreispolizeibehörde das Anschlagsrisiko und die konkrete Gefahrenlage für den Landrat ein und wurden bereits Ermittlungen durchgeführt?

 

Mit freundlichen Grüßen
gez. Jan Köstering